Heute ist mein erster Tag nach einem Wanderurlaub in den Bergen. Der offene Koffer liegt auf dem Bett, die Waschmaschine läuft, überall liegen Stapel mit Sachen, die weggeräumt werden wollen: Wanderstiefel, Schirme, Stöcke. Ich hasse dieses Chaos und merke, wie es mich stresst. Geht Dir das auch so? Nach einer Auszeit ist man schnell wieder im üblichen Trott, der Urlaub ist vergessen, man fühlt sich als wäre man nie weggewesen und arbeitet auf die nächste Reise hin. Es gibt Strategien, die helfen, zu Hause entspannt zu bleiben und trotzdem produktiv zu sein.
Ich war mit meinem Mann fünf Tage im Berner Oberland unterwegs. Wie ich es liebe, den ganzen Tag draußen zu sein, die reine, kühle Luft in meine Lungen zu lassen, einen Schritt vor den anderen zu setzen, dem milchigweißen, mineralhaltigen Gletscherwasser zuzusehen, wie es als Wasserfall ins Tal hinabstürzt, die Gedanken mit dem Bach laufen zu lassen, Kühen beim Grasrupfen zuzuschauen oder Ameisen beim Hügelbauen! Der Blick auf die viertausend Meter hohen Gipfel gibt einem den Eindruck, im Vergleich zu ihrer majestätischen Größe selbst wie eine Ameise zu sein.
Vieles, das mich daheim noch beschäftigt hat, wird hier winzig klein.
Das Handy bleibt aus, meist lasse ich es im Hotelzimmer im Safe. Es ist eine Erleichterung, nicht morgens darüber nachdenken zu müssen: Was werden wir heute essen?, sondern versorgt zu sein, zu wissen: Am Abend gibt es was Leckeres aus der Schweizer Küche, wie Kartoffeln mit Raclette-Käse und sauren Gürkchen, Älpler-Makkaroni mit Apfelmus oder Geschnetzeltes mit Kartoffel-Rösti. Genug der Schwärmerei, mir läuft schon wieder das Wasser im Mund zusammen. Die Auszeit in den Bergen hat gutgetan. Wenn ich in den Spiegel schaue, sehe ich, wie erholt ich bin. Doch ich sehe es nicht nur, ich spüre es auch. Ich ruhe in mir.
Urlaub vorbei – Leichtigkeit adé?
Nun hat mich der Alltag wieder. Hier sitze ich am Computer und versuche abzuarbeiten, was liegengeblieben ist. Vergangene Nacht kamen wir gegen zwölf zurück. Spät waren wir losgefahren Richtung Heimat, weil wir den letzten Sonnentag in den Bergen auskosten wollten bis zum Schluss. Wir sind im 17 Grad kalten Brienzersee geschwommen, haben uns danach auf den Steinen aufgewärmt. Herrlich!
Urlaub vorbei – Leichtigkeit adé? Wie schön wäre es, auch im Alltag weniger angespannt zu sein, trotzdem jeden Tag konzentriert einiges zu erreichen. Die gute Nachricht ist: Ich weiß, wie das für mich geht. Die schlechte: Es gehört Disziplin dazu. Ich weiß, das hört sich paradox an. Leichtigkeit und Disziplin scheinen sich zu widersprechen. Doch ich habe es ausprobiert: Wenn ich es schaffe, mich an eine gewisse Routine zu halten, fühle ich mich leicht und wohl, auch wenn ich viel arbeite.
Meine Morgenstunde
Die meisten Tage haben einfach zu wenige Stunden. Deshalb stehe ich früh auf. In meinen besten Zeiten zwischen fünf und sechs Uhr am Morgen. Wenn dafür sorge, dass der Tag gut beginnt, nehme ich diese Energie mit. Das Handy bleibt noch aus. Meinen Tag starte ich mit Aktivitäten, die mir Kraft geben: Ich übe Yoga oder Tai-Chi, weil mich das erdet und stärkt. Außerdem habe ich nach dem Aufstehen oft die besten Ideen. Wenn ich sie nicht notiere, vergesse ich sie wieder. Also schreibe ich sie auf.
Mit der Hand, weil ich so einen besseren Zugang zu meinen Emotionen habe, schreibe ich ein paar Seiten, was aus mir herausfließt, ohne nachzudenken. Ich spreche mit meinem Schöpfer und danke ihm für den neuen Tag. So vorbereitet, werfen Begegnungen und Herausforderungen, die auf mich zukommen, mich nicht so schnell aus der Bahn. Nach meiner Morgenstunde fahre ich den PC hoch und beginne zu arbeiten. Ein schwieriges Telefonat bestehe ich gelassen und freue mich. Juhuuu!
Erfrischendes Innehalten
Auf die Uhr habe ich nicht geschaut, die Zeit ist verflogen, schon ist es Mittag. Auch wenn wenig Zeit ist, auch wenn ich heute nur eine Suppe und ein Butterbrot zu mir nehme, bewege ich mich zum Essen weg vom Schreibtisch. Ich setze mich an den Esstisch, lege die Hände in meinen Schoß wie zwei Schalen ineinander, die Daumen berühren sich, und atme ein paarmal tief durch: ein, aus, ein, aus. Dann beten wir. Es tut mir gut, zu danken für die Gaben und auch an die zu denken, durch deren Arbeit wir satt werden. Ich bin ganz bei dem, was ich tue. Die Mahlzeit wird eine Insel der Ruhe im Tag. Beim Essen liegt kein Handy auf dem Tisch. Wenn das Telefon klingelt, rufe ich danach zurück. Nach dem Essen versuche ich, ein Stück zu gehen, um meinen Kopf freizubekommen. Oft fällt mir dann die Lösung zu einem Problem des Vormittags ein – leicht und spielerisch. Und wenn nicht, dann macht es auch nichts.
Den Tag mit einem Ritual abschließen
Es gibt Zeiten mit knappen Abgabeterminen, in denen ich auch am späten Abend noch am Computer sitze, um Texte fertig zu bekommen. Es kann passieren, dass ich so müde bin, dass alles vor den Augen zu verschwimmen scheint. Dann reibe ich meine Handflächen aneinander und lege die Hände auf die geschlossenen Augen. Vielleicht entscheide ich, dass es besser ist, am nächsten Tag weiterzuarbeiten. Wenn ich müde bin, passieren Fehler und letztlich habe ich durch die Spätschicht dann nichts gewonnen.
Ein Abendritual hilft mir, gut einzuschlafen. Ich schreibe auf, wofür ich dankbar bin. Auch wenn ich bis dahin dachte, der Tag sei schwierig gewesen, fällt mir immer einiges ein, oft so viel, dass eine Seite nicht reicht: Sonnenschein, ein Dach über dem Kopf, ein gutes Gespräch … Als Christin lege ich meinen Tag in die liebenden Hände Gottes und bin darin geborgen. Lesen kann ich auch am Abend nicht lassen. Manchmal lege ich das Buch schon nach einer Seite weg, damit es mir beim Einschlafen nicht aufs Gesicht fällt.
Leichtigkeit stellt sich nicht von selbst ein, habe ich gemerkt. Ich muss sie mir erhalten. Dazu gehört Disziplin. Rituale einzuhalten ist am Anfang schwer. Doch sie helfen mir, denn sie sind wie Pfeiler einer Brücke über den Abgrund der kopflosen Hektik, in den wir manchmal zu stürzen drohen. Man darf auch mal freundlich und bestimmt Nein sagen zu Anforderungen, die auf einen zukommen und nicht zu einem passen. Es passiert nichts. Ich konzentriere mich auf das, was heute getan werden muss. Sagen zu können: „Morgen ist auch noch ein Tag“, befreit ungemein. Es gelingt mir nicht jeden Tag, diszipliniert zu sein und Ruheinseln einzubauen – das ist auch okay –, doch wenn ich es kann, geht es mir gut, dann fühle ich mich leicht und frei.