Wie wir gut aus einem Tief kommen

5 Strategien, Schweres zu überwinden

Jutta Hajek im Wald

Das Leben wirbelt uns durcheinander. Jeder hat sein Päckchen zu tragen. Gefühle von Traurigkeit und Resignation machen das Herz schwer – Trauer über den Tod von Menschen, die uns nahestehen; über Krankheiten, die wir oder andere erlitten; über Pläne, die wir aufgeben mussten; über Beziehungen, die nicht hielten. Diese Strategin helfen, ein Tief gut zu überwinden.

Strategie #1: Die Krise annehmen

Es schont die Kräfte, wenn ich annehme, was gerade ist, auch wenn ich es schwer finde. Je mehr ich damit hadere, desto stärker verfestigt sich die momentane Situation. Dann drehe ich mich im Kreis und bin gefangen – gedanklich sowieso und mein Körper zeigt mir das dann auch.  Ich muss also raus aus dieser Spirale. Das ist leichter gesagt als getan, besonders wenn ich gewohnt bin, dass normalerweise alles gut läuft, dass ich gesund bin und produktiv. Es fällt schwer zu akzeptieren, wenn es einmal nicht so ist. Doch es gibt keine Alternative. Geschwindigkeit herausnehmen und ankommen im Zustand, wie er jetzt ist. Dabei hilft die folgende Sichtweise.

Kamelienknospe
Meine Kamelie bereitet sich auf den Frühling vor. Ich auch.

Strategie #2: Schönes bewusst sehen

Es gibt Schönes an jedem Tag im Leben. Doch wenn wir traurig sind, kommt es uns vor, als würden wir eine dunkle Brille tragen, deshalb sehen wir es nicht. Wir müssen bewusst und genau hinschauen, um Schönes zu finden. Für Menschen in Kriegsgebieten ist das sehr viel schwerer. Doch sie tun es: Sie heiraten, tanzen, singen und geben damit der schrecklichen Situation nicht alle Macht über sich. Der Lebenswille ist stärker als alles andere und das ist gut.
Wenn wir krank sind und nicht in die Natur können, so können wir doch wenigstens hinausschauen und uns an der Sonne freuen, die ausnahmsweise kräftig scheint. Sie taucht die Welt in goldenes Licht – auch mich. Die Vögel hüpfen durch die Zweige und begrüßen den Morgen. Wenn ich das Fenster einen klitzekleinen Spalt öffne, kann ich sie zwitschern hören. Die Kamelie vor der Tür hat knubbelige Knospen angesetzt, die – auch wenn sie momentan mit Schnee bedeckt sind – in einigen Wochen aufgehen und samtige, hellrote Blüten hervorbringen werden. Schneeglöckchen bereiten ihren Auftritt vor. Ihre Stiele bohren sich wie dünne Spieße durch das Moos. Ich bin da, kann bewusst atmen und meine Lungen mit Sauerstoff füllen. Wie gut das tut! Wenn ich mich eine Weile auf das Schöne konzentriere, spüre ich Hoffnung. Aus ihr wächst Zuversicht: Der Frühling kommt. Das Leben wird wieder heller und leichter. Ich werde mein Tief überwinden.

Strategie #3: Im Augenblick verweilen

Beim Blick aus dem Fenster, auf das Schöne, was sich dort entfaltet, komme ich ganz ins Jetzt. Ich konzentriere mich nicht auf das Schwere. Es darf für einen Moment in den Hintergrund treten. Freude kommt auf. Wenn ich in der Natur bin, kann ich nicht anders als mich freuen. Diese Freude, die ich gefunden habe, sobald es wieder geht zu teilen, lässt sie noch größer werden. (Hier geht es zu einem Impuls über die Freude) Probiere es aus und lächle Menschen an, die dir begegnen. Ob du sie kennst oder nicht, spielt keine Rolle. Du wirst dich wundern, wie viele zurück lächeln. Irgendwann wirst du automatisch lächeln, wenn du anderen begegnest, und ihr werdet einen Moment der Verbundenheit teilen. Wenn wir im Augenblick verweilen, ist es außerdem leicht, Groll aus der Vergangenheit loszulassen, weil wir uns emotional im Jetzt befinden. Die Natur zeigt uns, wie es geht: Nach jedem Winter erblüht sie, als hätte sie Eis und Kälte nie erlebt.

Strategie #4: Bereit sein zu empfangen

Wenn ich das Gute in meinem Leben sehe und die Schönheit im Kleinen bewusst genieße, bereite ich den Weg für mehr. Ich bin bereit, Gutes zu empfangen. Es fühlt sich an, als würde ich mit geöffneten Händen dasitzen in der Erwartung, was ich brauche, hineingelegt zu bekommen. Es ist nur ein Gefühl, aber es ist kraftvoll. Das kann ich auch herbeirufen, wenn ich krank und traurig bin. Oder wenn ich für ein Ziel hart gearbeitet habe, es aber in immer weitere Ferne zu rücken scheint. Dann kann es helfen, einen Schritt zurückzutreten und die Arbeit ruhen zu lassen. Auf einmal ergibt sich etwas vollkommen Unerwartetes. Und was du dir schon lange wünschst, fällt dir mühelos in die Hände.

Kamelienblüte
Kamelienblüte im letzten Frühling. So wird es wieder. Oder noch schöner …

Strategie #5: Danken üben

In unserer Gesellschaft ist es üblich, sich eher auf das zu fokussieren, was nicht funktioniert als auf das, was gut läuft. Ständig beschweren wir uns über irgendetwas. Deshalb hilft es, danken zu üben. Sich in den Empfangsmodus zu versetzen ist anfangs nicht leicht, da wir gelernt haben: Was nicht erkämpft ist, taugt nichts. Ich habe mir angewöhnt, mir morgens gleich zu überlegen, worauf ich mich an diesem Tag freue. Es gibt immer etwas und wenn es mal nichts gibt, dann denke ich mir etwas aus. Am Abend schreibe ich auf: Was heute gut war. Auch wenn ich dachte, der Tag wäre schwierig gewesen, reicht oft eine Seite nicht aus. Das Resultat: Ich fühle mich beschenkt, weil ich wahrgenommen habe, was gut war. Das geht eine Phase lang so und dann vergesse ich diese Übung wieder, weil alles so gut läuft. Wenn ich merke, ich brauche diese andere Perspektive, fange ich einfach neu an.
Dankbarkeit schenkt Hoffnung, denn sie lässt bewusstwerden, was jetzt schon gut ist. Sie hilft uns den gegenwärtigen Moment intensiver zu erleben (Impuls „Sich auf der Schwelle des Augenblicks niederlassen“) und macht empfangsbereit für mehr. Wir alle haben Gründe, dankbar zu sein, wie schwer es uns gerade auch vorkommen mag. Wir sind hier und können etwas verändern. Wir dürfen unsere besondere Sichtweise in unser Umfeld hineinbringen. Wir können andere ermutigen und gemeinsam für mehr Liebe in der Welt eintreten.

Der größte Schatz

Aus meiner Sicht der größte Schatz, den wir haben, um eine Krise zu überwinden und sogar gestärkt hervorzugehen, ist das Gebet. Beim Beten darf ich mich der liebenden Gegenwart anvertrauen, die in allem und um alles ist. Das schenkt Geborgenheit und Gelassenheit. Wenn es mir nicht gut geht und ich ein Anliegen habe, bei dem ich Hilfe brauche, bitte ich enge Freundinnen und Freunde, für mich zu beten. Ich tue das auch für andere. Meine Gebetsliste ist mal länger, mal kürzer. Leer ist sie nie. Sie ist keine Belastung. Während ich für meine Freunde bete, verbinde ich mich mit mir selbst, mit dem anderen und mit dem Allerhöchsten. Ich denke liebevoll an andere und erwähne ihre Namen vor Gott. Dann weiß ich, sie sind aufgehoben im Urgrund des Lebens – ein gutes Gefühl, das durch nichts zu ersetzen ist. Und manchmal geschehen kleine Wunder. Wir müssen sie nur für möglich halten.

Fotos: Daniel Elke und privat.

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