Wege aus seelischem Schmerz

Das Leben ist kein langer, ruhiger Fluss. Schlimmes passiert. Geliebte Menschen werden krank, sterben sogar, Beziehungen enden, Pläne werden vereitelt. Wir bleiben nicht für immer jung, sondern müssen uns mit Einschränkungen abfinden. Auch wenn sich manches nicht ändern lässt, können wir doch selbst bestimmen, wie wir mit Schmerz umgehen. Ein Versuch, aus eigenen Erfahrungen Wege aufzuzeigen.
Ein schlimmer Verlust
Das wechselhafte Wetter spiegelt unsere Stimmung wider. Ein lieber älterer Familienangehöriger ist gestorben. Obwohl wir vorbereitet waren, ist der Schmerz groß. Er fehlt uns so. Die ganze Familie ist erschüttert, diesen humorvollen, hilfsbereiten Menschen loslassen zu müssen. Am Freitag standen wir zusammen auf dem Friedhof. Der Wind riss uns die Schirme fast aus der Hand. Wir hielten uns gegenseitig, starrten auf das Loch in der Erde, in das die Urne gesenkt wurde, gaben Pfingstrosenblüten und Erde hinein. Danach saßen wir bei Kaffee und Kuchen daheim und erzählten uns Geschichten aus der Zeit, als er noch bei uns war.
Was uns das Leben zumutet
Leid und Schmerz haben viele Gesichter. Wir kennen Großeltern, die ihre Enkel selten sehen können. Das ist schwer auszuhalten. Eine junge Mutter wird über Nacht so krank, dass sie ihr Baby nicht ohne Hilfe versorgen kann. Eine andere Frau, die an Migräne leidet, tritt beruflich kürzer, weil sie hofft, ihr Leiden wird sich bessern, doch das zeigt sich noch nicht. Eine Frau wurde von ihrem Mann, mit dem sie drei Kinder hat, verlassen und kommt nicht darüber hinweg.
Es gibt Zeiten, in denen negative Nachrichten so geballt auf uns einprasseln, dass es nur noch schwer zu ertragen ist. „Wenn es kommt, kommt es dicker“, heißt ein Sprichwort. Körper und Seele tun weh. Die Augen sind leergeweint. Der Schmerz zeigt: Ich bin nicht unverwundbar.
Was dann hilft
Eine Umfrage unter Freundinnen, was ihnen in schmerzhaften Situationen hilft, hat unterschiedlichste Antworten zutage gefördert: Im Garten arbeiten. Körperliche Beschäftigung. Planung und Beobachtung des Kommens und Gehens in der Natur. Und die Gefühle trainieren. Schreiben, reden – manchmal auch Krimis, schreibt eine andere. Sowohl Gespräche mit Familie und Freunden als auch Zeit für eigene Gedanken, lese ich von einer Freundin, die ich lange nicht gesehen habe. Von einer weiteren: Mir hilft weinen und neue Ziele fokussieren. Außerdem immer wieder Dankbarkeit für alles, was ich besitze. Und: Ruhig bleiben und warten.
Am Ausdruck Gefühle trainieren, bleibe ich hängen. Was heißt das genau? Gefühle entstehen durch eine Zusammenwirkung von Reizen aus der Umwelt und unseren Gedanken. Es hilft, sich – wie von außen – zu beobachten und zurückholen, wenn man in quälenden Gedanken verharrt, denn diese blockieren uns. Den Gefühlen, die kommen, Raum zu geben, ist wichtig, ebenso wie sie anzunehmen. Doch dann dürfen wir negative Gefühle loslassen und uns auf Gedanken konzentrieren, die wieder froher machen. Jede Situation hat zwei Seiten und bringt ein Geschenk mit, wenn wir uns erlauben, die andere Seite zu betrachten.
In den vergangenen Tagen hat unsere Familie erfahren, was es heißt, im Schmerz nicht allein zu sein. Mitfühlende Menschen haben angerufen, Briefe und Nachrichten geschickt. Eine Nachbarin bringt selbstgebackene Mandelkekse, fragt, wie es geht, umarmt uns. Mit anderen Nachbarn stehen wir auf der Straße und erzählen miteinander. Wir spüren: Es ist okay, seine Wunden zu zeigen und darauf zu vertrauen, dass da Menschen sind, denen es nicht egal ist. Und auch ich kann ein Mensch sein, der tröstet, der andere in den Arm nimmt, zuhört, die Hand hält.
Zusammenrücken
Wir brauchen andere. Wir gehören zusammen. Ich wünsche uns, dass wir im Leid menschlicher werden und näher zusammenrücken. Wir verdanken uns etwas Größerem, sind einbezogen in den Strom der Liebe, der nie versiegt. Liebe ist ein kraftvolles Gegenmittel gegen Schmerz. Liebe, die stärker ist als der Tod. Darin finden wir Trost. Diesen Satz aus einem Gedicht von Hilde Domin möchte ich Dir mitgeben, damit Du Hoffnung schöpfst: „Und doch, wenn du lange gegangen bist, bleibt das Wunder nicht aus, weil das Wunder immer geschieht, und weil wir ohne die Gnade nicht leben können.“
Link zum Podcast Predigtbruch des ev. Pfarrers Patrick Smith, der mich anspricht: Himmelsfetzen
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