… bebaue einen Garten und halte Bienen darin!“, riet Konfuzius 500 v. Chr.
Michaele Kundermann ist seinem Rat gefolgt. Seit sieben Jahren hält sie Bienenvölker und kommt aus dem Staunen nicht heraus. Von Jutta Hajek
„Dachten wir im verregneten April noch, dass dieses Jahr kein gutes Honigjahr wird, haben wir uns ganz schön getäuscht. Ein Volk schleudere ich jetzt zum dritten Mal“, schreibt die Imkerin an ihre Kunden. In Dorfweil und Kransberg im Taunus stehen ihre Bienenstöcke. Weil Freunde nicht locker ließen, bietet sie eine Erlebnis-Besichtigung in ihrem Kräuter- und Bienengarten an. Sie hat um helle Kleidung gebeten und verteilt Kappen, damit sich keine Biene in den Haaren verfängt. Grüne, braune und gelbe Holzkästen reihen sich am Zaun auf, blaue Disteln wachsen dazwischen, lila blühen Dost und Lavendel, gelb die Nachtkerzen – alles Pflanzen, die Bienen Nahrung bieten.
Das Leben einer Arbeitsbiene
Bevor die Besucher Honig probieren dürfen, erzählt die Imkerin vom „kurzen, aber erfüllten Leben einer Arbeitsbiene“: Die Königin legt die befruchteten Eier in die Zellen der Waben. Beidseitig hat eine Wabe 4.000 Zellen. Am vierten Tag kriecht aus dem Ei eine Made. Sie wird zuerst mit Gelee Royal, der Königinnenspeise, und nach weiteren nach 3 Tagen mit gewöhnlichem Futtersaft für das Volk ernährt. Jungbienen produzieren die Nahrung der Brut in ihren Futtersaftdrüsen. Pollen dient dabei als Eiweißspender. Die Made wächst, verpuppt sich und am 21. Tag schlüpft die Arbeiterin. Zuerst putzt sie sich und ihre „Wiege“, dann wärmt sie zwei Tage lang die Brut, indem sie ihre Flügel aushängt und die Muskeln so schnell laufen lässt als würde sie fliegen. Die nächsten zehn Tage füttert sie Maden; nimmt Bienen, die von draußen hereinkommen, Nektar ab; stampft Pollen und reinigt den Stock. Vom 12. bis 18. Tag baut sie Waben. Dann wird sie Wächterbiene, die Räuber am Eindringen durch das Flugloch hindert. „Ab ins Freie!“, heißt es am 20. Lebenstag, denn von da an sammelt sie Nektar. Bis zu zehn Mal am Tag fliegt sie los; für einen Kilometer braucht sie zwei Minuten. Bis zu 3.000 Blüten bestäubt sie an einem Tag. Nach 35 Sammeltagen geht ihr Leben zu Ende.
Ohne die Arbeit der Bienen könnten wir viel weniger Birnen, Äpfel, Kirschen und Pflaumen ernten. Mehr als ein Drittel der Nahrung des Menschen würde ohne das Bestäuben durch die Bienen nicht gedeihen. Bis zur Sonnenwende steige die Zahl der Bienen, danach nehme sie ab, wie ihre Nahrungsquellen. Seit etwa 40 Millionen Jahren gebe es Bienen auf der Erde. Um sie zu retten, müsse die Landwirtschaft den Einsatz von Insektiziden verringern, so die Imkerin.
Äcker am Tag, während Bienen und andere Bestäuber fliegen, mit Gift zu besprühen sei verboten, werde aber leider trotzdem praktiziert. Außerdem machen Monokulturen, der Klimawandel und die aus Asien eingeschleppten Varroa-Milben den Bienen das Leben schwer. Wer diesen nützlichen Tieren, die sich von ruhiger Hand streicheln lassen, besonders in trachtarmen Sommerzeiten helfen will, kann Ringelblumen, Himbeeren, Sonnenblumen und andere Bienenweiden in den Garten oder auf den Balkon setzen. Eine Wiese mit Wildkräutern um das Haus, die nicht wöchentlich gemäht wird, lässt Bienen Nahrung finden.
links: Hund Ebby versteckt sich unter dem Schleier. rechts: Pia führt die neue Imkermode vor.
Kommunikation über Pheromone
Bienen sind auf der Suche nach Blüten und interessieren sich – anders als Wespen – nicht für Pflaumenkuchen. Wenn man nicht hektisch wird, stechen Bienen selten, denn das bedeutet den Tod für sie. Die Stiche sind gesund, sofern man nicht allergisch ist, erfahren die Besucher. Trotzdem schützen sich die meisten Gäste im Bienengarten lieber mit Imkerhut und Schleier, bevor Michaele Kundermann den ersten Stock öffnet. Mit dem Smoker, einem Metallkännchen, in dem sie Pappe und getrocknete Pilze verbrennt, bläst sie Rauch hinein und lenkt die Bienen ab. Auf der Wabe, die die Imkerin hochhält, wuseln hunderte. Wenige heben brummend ab. In der Mitte, deutlich zu sehen durch den gelben Markierungspunkt und ihre Größe, schreitet die Königin. Sie kommuniziert mit ihren Untertanen über Botenstoffe, die so genannten Pheromone. Ab Mai starten zukünftige Königinnen auf ihren Hochzeitsflug. Drohnen, die größeren männlichen Bienen, die keinen Stachel haben, befruchten die Königin im Fliegen. Danach sterben sie. Die Königin speichert die Samen von mehr als einem Dutzend Drohnen. Aus diesem Vorrat schöpft sie bis zu vier Jahre lang.
Der Nachmittag ist verflogen und die Sonne hinter dem Wald verschwunden. Nach dem Bienenquiz beschmieren die Gäste noch einmal Weißbrot mit Butter und dem dunklen Honig der Königin Philomena. „Schmeckt bombenklasse“, lobt Christa. Honig und Salbeiableger gibt Michaele Kundermann ihren Gästen mit. Auch einen Rat für den Alltag weiß sie: „Bevor Du den Pfeil der Wahrheit abschießt, tauche die Spitze in Honig.“
Mehr Infos: http://www.deutscherimkerbund.de; http://www.die-honigmacher.de
Der Artikel ist am 25.07.2017 in Ausgabe Nr. 88 von Die Tagespost erschienen.
Informationen aus diesem Artikel flossen ein in das Buch: „Variationen einer Schwarzamsel. Staunenswertes und Bewundernswertes unter der Sonne“ (S. 35-40; „Die staunenswerte Welt der Bienen“) von Guido Becker. SJM Verlag, Neusäß 2018.