Zwei Gesichter

Ein Hoch auf die Freundschaft

Warum Freundschaften wichtig sind –
und was sie erhält

Gemälde von Jutta Hajek mit zwei Gesichtern: Warum Freundschaften  wichtig sind und was sie erhält
Gute Freunde schenken Geborgenheit – ein Hoch auf die Freundschaft

„Freundschaft, das ist wie Heimat“, schrieb Kurt Tucholsky. Was wären wir nur ohne unsere Freunde? Freunde suchen wir uns nicht immer selbst aus, manchmal werden wir auch ausgesucht. Es gibt Freundschaften, die halten ein Leben lang, andere sind nur für eine bestimmte Zeit von Bedeutung, dann führen die Wege auseinander. Was macht eine gute Freundschaft aus und was macht sie mit uns? Warum sind Freunde wichtig?

Für immer oder auf Zeit

Eine „Sandkastenfreundin“ begleitet mich seit unserer Kindergartenzeit. Sie hat schon mit vier Jahren beschlossen, dass sie mit mir befreundet sein will. Ich habe mich ergeben und bin so froh darüber. Erst später ist mir aufgegangen, wie wichtig sie in meinem Leben ist. Sie ist die Einzige, der ich als Jugendliche mein Herz ausgeschüttet habe. Dann haben wir uns eine Weile nicht so oft gesehen. Wir haben beide geheiratet und Kinder bekommen. Jetzt, wo die Kinder aus dem Haus sind und wir wieder mehr Freiräume haben, sehen wir uns wieder häufiger. Unsere Freundschaft ist nicht mehr dieselbe wie damals in der Kindheit und Jugend. Sie ist mitgewachsen. Wir haben uns beide verändert. Was gleichgeblieben ist: Ich weiß, ich kann ihr absolut vertrauen. Sie würde nie etwas weitererzählen, das ich ihr anvertraut habe. Das ist Gold wert! Ich glaube, wir werden Freundinnen sein, solange wir leben. Das ist etwas ganz Besonderes. Wir haben ähnliche Werte, die unserer Freundschaft ein festes Fundament bieten. Über diese Werte schreibe ich im Impuls: Was mir wichtig ist.

Die wichtigste Freundschaft, die Grundlage für alle weiteren Freundschaften, die ich in meinem Leben schließe, ist die Freundschaft mit mir selbst. Wenn ich mir gut bin, kann ich auch anderen gut sein. Das Buch meiner Kollegin Melanie Wolfers zu diesem Thema kann ich empfehlen: „Freunde fürs Leben. Von der Kunst, mit sich selbst befreundet zu sein.“

Vertrauen können

Für mich ist die wichtigste Eigenschaft bei einem Freund oder einer Freundin, dass ich bedingungslos vertrauen kann. Was ist eine Freundschaft wert, wenn der andere, vielleicht um sich wichtig zu machen, bei Dritten ausplaudert, was ihm anvertraut wurde? Auf solche Freunde kann ich verzichten! Ich reagiere nicht sofort, sondern schlafe erstmal darüber und suche dann das Gespräch. Oder ich bleibe ganz bei mir, sage: Schwamm drüber, konzentriere mich auf das Positive in meinem Leben und suche die Nähe zu Menschen, die mir signalisieren, dass sie mich lieben und schätzen.

Sich gegenseitig nichts vormachen, sondern ehrlich sein, ist wichtig. Eine Bekannte war neulich richtig enttäuscht, weil eine Freundin von ihrer Arbeit erzählt hat, und sie hinterher herausfand, dass diese Freundin ihren Job verloren hatte und auf der Suche nach einem neuen war. Bei Freunden muss ich nicht angeben. Klar will ich gut dastehen, aber Lügen dafür aufzutischen, ist es nicht wert. Das verletzt das Vertrauen. Wenn mir die Freundschaft wichtig ist, muss ich ehrlich sein, auch wenn mich das gerade nicht gut aussehen lässt.

Sich gegenseitig respektieren

Sich gegenseitig respektieren mit allen guten Eigenschaften und auch den Unzulänglichkeiten, hilft der Freundschaft. Keiner ist nur toll. Ich auch nicht. Wenn ich immer so tun muss, als wäre ich es, kostet es unnötig Kraft. Bei echten Freunden will ich sein können, wie ich bin. Dazu gehört auch, dass ich die anderen annehme, wie sie sind und nicht versuche, sie zu verändern. Wir denken doch alle irgendwie, wir wüssten am besten, wie dieses Leben zu bestehen ist. Meine Meinung Freunden nicht überzustülpen, sondern sie ihre eigene Version vom Glück finden zu lassen, ist nicht so leicht. Aber es gibt keine Alternative. Denn ich liebe meine Freundinnen und Freunde ja gerade deshalb, weil sie anders sind als ich und meinen Horizont weiten und mein Leben bereichern. Wenn sie so werden wie ich, kann ich wahrscheinlich nichts mehr mit ihnen anfangen.

Jeder hat in einer Freundschaft anderes zu bieten. Großzügig teilen, was man hat, sich gegenseitig unterstützen, so gut man kann, ist eine Freude. Für viele ist es viel schöner, etwas zu geben als etwas zu bekommen. Zum Beispiel Geburtstagsgeschenke. Wenn ich vor einem Berg von Geschenken stehe, fühle ich mich oft überfordert. Aber für eine Freundin ein Geschenk aussuchen, hübsch einpacken und überreichen, mag ich sehr.

Keine Einbahnstraße

Da sind wir schon beim nächsten Punkt: Eine Freundschaft darf keine Einbahnstraße werden. Wenn ich immer nur gebe oder immer nur nehme, funktioniert das auf die Dauer nicht. Eine Freundschaft muss im Fluss bleiben. Jeder hat bei persönlichen Krisen das Recht, mehr zu verlangen als zu geben, aber irgendwann muss eine Art Balance wiederhergestellt werden, sonst gerät die Beziehung in eine Schieflage und ist nicht mehr zu retten.

Freundschaften, die nicht zu retten sind, loszulassen, ist hart. Zumindest für mich. Ich brauche am Anfang lange, bis ich mich dafür entscheide, mit jemandem eng befreundet zu sein. Genauso lange überlege ich, ob ich eine Freundschaft beenden soll. Beziehungen, die nicht mehr zum Wachstum hier und dort beitragen, lasse ich nach reiflicher Überlegung los. Das gibt Raum für neue Leute in meinem Leben.

Dazugehören

Freundschaften sind so wichtig, denn sie stiften Gemeinschaft. Ich fühle mich nicht mehr alleine. Das ist so ein schönes Gefühl! Ich gehöre dazu. Wollen wir nicht alle irgendwo dazugehören? Zum Fußballverein, Lauftreff, Kaffeekränzchen oder Stammtisch. Wir definieren uns durch die Gemeinschaften, von denen wir ein Teil sind und zeigen damit: Das bin ich. Mit diesen Leuten fühle ich mich wohl!

Auch meine Familie ist ein wichtiger Quell der Freundschaft für mich. Meine beste Freundin ist meine Schwester. Die sieben Jahre, in denen sie im selben Ort wohnte, empfand ich als eine innige Zeit, in der wir sehr verbunden waren. So eine Schwester zu haben, ist ein riesiges Geschenk. Auch jetzt, wo sie mehrere hundert Kilometer entfernt lebt, bleibt sie einer der wichtigsten Menschen in meinem Leben. Wir telefonieren viel und treffen uns immer wieder.

Sich seinen Freunden zumuten

Freunde sind für mich Menschen, mit denen ich schwärmen, träumen und Pläne schmieden kann. Man darf sich auch mal beklagen, aber wenn eine Freundschaft eine Jammergemeinschaft wird, zieht sie beide runter. Ich mag Menschen, die mir sagen: „Ich glaub an Dich. Du schaffst das!“ und denen ich aus tiefster Seele dasselbe sagen kann. Es darf auch Kritik sein, wenn sie respektvoll angebracht wird und ehrlich gemeint ist. Jemand, der zuhört und wirklich wissen will, was bei mir gerade los ist, schenkt mir Geborgenheit. Diesen Menschen darf ich mich zumuten, auch wenn ich mal nicht funktioniere.

Eine Freundin, die ich ewig nicht gesehen hatte, nahm an einem glutheißen Sommertag eine Stunde Fahrt auf sich, kam aber nicht ganz pünktlich an zur Lesung. Die Tür zum Saal war weit auf und meine Stimme über das Mikrofon laut zu hören. Im Flur stand ein Stuhl. Sie zögerte hineinzugehen, beschloss dann, sich in den Flur zu setzen und von dort zu lauschen, um die Veranstaltung nicht zu stören. Ich hatte keine Ahnung, dass sie da war. Natürlich kann ich verstehen, dass sie draußen geblieben ist. Ich denke auch oft: Das kann ich den anderen nicht antun und nehme mich zurück. Doch durch diese Haltung nehmen wir den anderen einiges. Ich hätte es schön gefunden, zu wissen, dass meine Freundin da ist und sie während der Lesung immer wieder einmal anzuschauen. Danach haben wir uns umarmt, mit Familie und Freunden an einen Tisch gesetzt, ausführlich geredet und zusammen gegessen. Herrlich!

Ich liebe es, für meine Freundinnen und Freunde Essen zuzubereiten, von anderen zu probieren und von meinem herzugeben. Brot brechen und miteinander essen, ist auch immer etwas Heiliges. Da entsteht auf einmal mehr, als wir gegeben haben. Es entsteht eine Atmosphäre, in der ich ganz ich selbst sein und mich mit anderen auf besondere Weise verbinden kann. Wir sitzen im Kreis, blicken uns an und spüren: Wir gehören zusammen. Ohne euch will ich nicht sein.

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